Samstag, 17. Juni 2023

Wer war Pekka Ervast?

 

Pekka Ervast wurde am 26.12.1875 in Helsinki geboren. Bei der Taufe erhielt er den Vornamen Petter Elias. Sein Vater war Assessor Petter Edvard Ervast und die Mutter Hilma Natalia, geborene Törnroos. Die Muttersprache der Familie war Schwedisch. Pekka war der älteste von insge­samt fünf Geschwistern, von denen nur drei das Er­wach­senenalter erreichten. Die Mutter starb, als Pekka acht Jahre alt war.

Die Familie gehörte zur evangelisch-lutherischen Kirche. Am Heiligen Abend des Jahres 1893, als er zum Abschluss des Konfirmandenunterrichts – zum ersten und zum letzten Mal – im Dom von Helsinki die Eucharistie empfing, erschien ihm Jesus Christus. Als lebendiges Wesen sah Jesus ihn an, und obwohl er nichts sagte, strömten seine Gedanken auf ihn zu. Er verstand, dass es die Aufgabe des Menschen war, gut zu sein und nach der Vollkommenheit zu streben.

Pekka Ervast absolvierte die Abiturprüfung 1893 mit glänzender Beurteilung und studierte an der Universität von Helsinki romanische Sprachen und Literatur der Re­nais­sance, später auch Deutsch und Englisch sowie Theorie der Poesie, Geschichte der Moralphilosophie, Psychologie, indische Religionsgeschichte, Sanskrit und Philosophie.

Im Januar 1894 kam er zum ersten Mal in Berührung mit der Theosophie und las seine ersten theosophischen Bücher, u. a. die schwedischen Übersetzungen der Werke The Occult World und The Esoteric Buddhism von A. P. Sinnett und The Mystery of the Ages Contained in the Secret Doctrine of All Religions von Gräfin Marie von Caithness.

Im Herbst 1895 trat er in die Theosophische Gesellschaft ein. In demselben Jahr erfolgte die Spaltung der Gesellschaft. Die Anhänger von W. Q. Judge, dem Leiter der amerikanischen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, bildeten eine eigene theosophische Gesellschaft, die sich von der Mutter­gesellschaft trennte. Bei dieser Krise geriet die theo­sophische Überzeugung des jungen Pekka Ervast ins Schwanken.

Kurz darauf kam er mit den Lehren von Leo Tolstoi in Berührung und fand den tieferen Sinn der Bergpredigt Jesu. Er verstand, dass die Gebote der Bergpredigt keine frommen Sprüche, sondern Anweisungen waren, nach denen ein Wahrheitssucher sein Leben richten sollte. Er beschloss, diesen Weg für sein weiteres Leben einzuschlagen. U.a. wollte er sein Leben so einfach wie möglich gestalten und wurde Vegetarier. Dies schloss konsequenterweise das Prinzip der Nichttötung von Menschen, den überzeugten Pazifismus, ein.

Als Folge seiner unnachgiebigen Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens erlebte er am 13.10.1896 die geistige Wiedergeburt, bei der er fühlte, als sei das alte Leben wie weggewischt. Er verstand, dass der Mensch Gottes Sohn ist, dass der Vater Gott existiert und hinter allem Leben steht. 

Dank seiner vielseitigen Begabung – er war musikalisch sehr begabt und beherrschte mehrere Sprachen – hätte man von ihm eine glänzende Universitätslaufbahn erwartet. Er verließ jedoch die Universität, nachdem er festgestellt hatte, dass dort nicht ernsthaft nach dem wahren Sinn des Lebens gesucht wurde. Nach einem Gespräch mit dem finnischen Schriftsteller Arvid Järnefelt, der geistesverwandt mit Leo Tolstoi war, beschloss er, irgendeine körperliche Arbeit aufzunehmen. Er ging in die Schreinerlehre, um später Schreiner zu werden. Diese Phase dauerte jedoch nicht lange, weil er bald zu der Überzeugung kam, dass das Schreiben seine eigentliche Aufgabe war. 

Alle seine Fragen waren jedoch noch nicht beantwortet. Er suchte nach weiteren Antworten und fing an, die Geheimlehre von H. P. Blavatsky zu studieren. Zu seiner Lieblingslektüre gehörte auch Die Weiße und Schwarze Magie von Franz Hartmann, und er verbrachte, nach seinen eigenen Worten, „viele herrliche Stunden“ bei der Lektüre der von Hartmann herausgegebenen theosophischen Zeitschriften Lotusblüthen. Ferner las er Werke von Platon, Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Johan­nes Tauler, Agrippa von Nettesheim, Paracelsus, Giordano Bruno, Jacob Böhme und Emanuel Swedenborg. 

Seine eigentliche Arbeit für die Theosophie begann er im Jahr 1897. Er schrieb seine ersten Zeitungsartikel, hielt theo­sophische Vorträge und veröffentlichte sein erstes Buch. Er arbeitete anfangs mehr in schwedischer als in finnischer Sprache und machte mehrere Reisen nach Schweden. Erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts begann er, zunehmend in finnischer Sprache zu schreiben und Vorträge zu halten, da er zu der Überzeugung gekommen war, dass seine Arbeit für die gesamte finnische Bevölkerung bestimmt war. 

Im Jahr 1907 wurde in Helsinki die finnische Sektion der Theosophischen Gesellschaft gegründet. Pekka Ervast wurde einstimmig zum Vorsitzenden gewählt.

1911 gründete die Leitung der Theosophischen Gesell­schaft den „Orden des Sterns des Ostens“, der den Inder Krishnamurti als die Inkarnation Jesu und den werdenden Weltlehrer zu propagieren anfing. Daraufhin begann Ervast, Zweifel gegen die Leitung der Theosophischen Gesellschaft zu hegen. Die Ansichten von Frau Besant bezüglich Krishna­murti wurden von Dr. Rudolf Steiner, dem Leiter der damaligen Deut­schen Theosophischen Gesellschaft, ebenso für unmöglich gehalten.

Im April 1912 machte Dr. Steiner eine Reise nach Finn­land und beteiligte sich an der Jahresversammlung der finnischen Theosophischen Gesellschaft. Einer der Teilnehmer dieser Jahres­ver­sammlung war Johan Richard Hannula, der sowohl Ervast als auch Dr. Steiner als große Seher erkannte. Später wurde J. R. Hannula ein treuer theosophischer Mitarbeiter und enger Freund von Ervast, der nach dessen Tode über die geistige Stellung des Pekka Ervast mehrere Bücher verfasste.

Beim Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde seitens der Leitung der internationalen Theosophischen Gesellschaft erklärt, dass die Weiße Bruderschaft der Meister sich im Krieg an die Seite der Alliierten und gegen die Mittelmächte stellte. Pekka Ervast wurde der Vorwurf gemacht, dass er in der von ihm herausgegebenen theosophischen Zeitschrift Tietäjä den Stand­punkt der führenden Personen der Theo­sophischen Gesellschaft seinen Lesern nicht bekannt gab. Ervast war der Meinung, dass es Gotteslästerung war, Gott, Christus oder die Weiße Bruderschaft mit den Bluttaten der Kriegsheere auch nur in irgendeiner Weise in Verbindung zu bringen.

Die Meinungsverschiedenheiten führten schließlich dazu, dass Ervast mit seinen Anhängern die Theosophische Gesellschaft verließ und am 14.11.1920 eine neue Gesell­schaft unter dem Namen Ruusu-Risti gründete. Der Name ist die finnische Entsprechung des Wortes Rosenkreuz und enthält den Hinweis auf die seit dem 17. Jahrhundert be­kannte mystische Bruderschaft der Rosenkreuzer. Die Rosenkreuz-Gesellschaft von Pekka Ervast hatte jedoch die Aufgabe, den ursprünglichen Geist der Theosophie H. P. Blavatskys zu vertreten. Zugleich orientierte sie sich am esoterischen Christentum und den ethischen Grundsätzen der Bergpredigt Jesu. Ervast begründet den Namen wie folgt: „Der Name Rosenkreuz beinhaltet den Hinweis auf die religiöse Aufgabe der neuen Gesellschaft: Sie erforscht alle Religionen und Mythologien, erreicht bei ihren Forschungen die Mysterien Jesu Christi und ist bestrebt, in ihrem Geiste zu leben. Sie belebt also auch den wesentlichen Geist des Christenglaubens und hilft den westlichen Kirchen, die sinnbildliche, mystische und geheimwissenschaftliche Bedeutung ihrer Lehrsätze zu verstehen. Als lebendiger Strom des Geistes reinigt und erneuert sie das innere und äußere Leben der Gläubigen.“ Später nannte Ervast seine Theosophie auch Christosophie.

Im Jahr 1921 verfasste er ein englischsprachiges Rund­schreiben mit dem Titel „Die Aufgabe der Theosophischen Gesellschaft“, das an ca. 900 Adressen, vorwiegend an die Logen der Theosophischen Gesellschaft, rund um die Welt geschickt wurde. Es enthielt seinen Vorschlag zur Gründung eines Allgemeinen Verbandes oder einer Verei­nigung der theosophischen und der gleichgesinnten Gesell­schaf­ten mit einem internationalen Büro und einer Zeitschrift sowie regelmäßig wiederkehrenden Weltkonferenzen. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht verwirklicht.

Im Herbst 1933 reiste Ervast nach den USA und verb­rachte den Winter in der kleinen Stadt Ojai in Kalifornien, um sich auszuruhen und seinen autobiografischen Roman Suuri seikkailu (Das große Abenteuer) zu schreiben.

Anfang Mai 1934 kehrte er zurück nach Finnland. Sein Gesundheitszustand hatte sich unterwegs verschlechtert. Am 22.5. unterschrieb er den Vertrag über die Vergabe der Rechte an seinem in Kalifornien geschriebenen Roman. Am selben Abend starb er zu Hause an einem Krankheitsanfall.

Zum Lebenswerk von Pekka Ervast gehören ca. 100 Bücher, darunter auch Werke, die anhand der steno­graphierten Notizen von seinen mündlichen Vorträgen zusammengefasst wurden. Er hielt während seiner theo­so­phischen Tätigkeit mehr als 1300 öffentliche Vorträge und übersetzte mehrere Bücher ins Finnische, u. a. Tao-te-king und Dhammapada (aus dem Englischen).

Seine Botschaft erreichte in Finnland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – alle Gesellschaftsklassen ein­schließlich der Arbeiterklasse, und viele bekannte Künstler: Komponisten, Schauspieler, Dichter und Maler bekannten sich zu seinen Freunden und fanden ihre Inspiration in der theosophischen Gedankenwelt.

Bei seiner Suche nach der Wahrheit war er zu der Überzeugung gekommen, dass die Wahrheit nicht nur in einem bestimmten Religionssystem zu finden ist. Der Mensch kann seinen Weg unter den ursprünglichen Lehren der Weisen aller Zeiten wählen, die schließlich alle zum gleichen Ziel – zum Finden des “Christus in uns“ – führen. Sein Weg war die Bergpredigt Jesu, deren Kern die vollkommene Gewaltlosigkeit und Liebe zu allen Menschen bildet, was selbstverständlich die Krieg­führung und die Vorbereitung zum Krieg für einen Wahrheitssucher unmöglich macht.

 

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