Donnerstag, 15. Juni 2023

GLÜCK UND FREIHEIT - Vortrag von Pekka Ervast 20.5.1917

 

Vortrag von 20.5.1917
Publikationen der Ihmisyyden tunnustajat Nr. 72
www.ihmisyydentunnustajat.fi
Ins Deutsche übertragen von Marja Haavisto
Titel der finnischen Originalausgabe:
Pekka Ervast, Onni ja vapaus, esitelmä 20.5.1917
CD Pekka Ervast, Kootut Teokset,
Ruusu-Ristin kirjallisuusseura ry, Helsinki
Druck und Verarbeitung:
Toukola, Mänttä, Finnland 2005
Umschlagszeichnung: Eija Puumalainen
ISBN 952-9834-41-1

 

 

 

 Die Vorlesungszeit ist jetzt vorbei und der Sommer steht vor der Tür. Deshalb ist es gut, dass wir uns für einen Moment dem Menschen zuwenden und uns selbst erforschen, die Seele und den Geist studieren und wieder einmal daran denken, was unser Leben hier ist. Genauer gesagt geht es bei unserem Forschungsthema – wie auch das Thema des Vortrags heißt –, um Glück und Freiheit des Menschen.

In diesem Kreis, in dem wir uns daran gewöhnt haben, geistig, spirituell, über die Dinge nachzudenken, müssen wir jetzt nicht an die übliche Vorstellung des Glücks denken, wonach das menschliche Glück vollständig oder zumindest weitgehend von äußeren Bedingungen abhängt. Viele Menschen können allerdings so über das Glück denken. Manch armer Mensch denkt: ”Wenn ich reich wäre, dann wäre ich glücklich“, und ein Mensch, der von der Arbeit müde ist, kann denken: ”Wenn ich bloß so frei wäre, dass ich nicht arbeiten müsste, dann wäre ich glücklich!“ Wir müssen nicht bei solchen Gedanken bleiben, denn wir wissen, dass das Glück nicht von solchen Dingen abhängt. Im Gegenteil, wir wissen, dass jemand, der arbeitet, glücklich ist und dass wir als arme Menschen genauso und sogar glücklicher sein können, als wenn wir reich wären. Ein Mensch, der faul sein kann, ist nicht glücklich. Das können wir daran sehen, dass es einem Menschen, der mit seinen eigenen Mitteln auskommen kann, ohne arbeiten zu müssen, nicht genügt, nur zu existieren.  Dieser Mensch wird etwas finden, um sich zu beschäftigen. Wir sagen also, dass das Glück nicht von solchen äußeren Dingen abhängt. Glück ist etwas ganz anderes. Was ist also Glück?

Glück ist ein Gefühl, denn wenn der Mensch sich nicht glücklich fühlt, ist er nicht glücklich, gleichgültig wie seine äußeren Umstände sind. Glück ist etwas Inneres, Glück wohnt im Bewusstsein des Menschen, denn um glücklich zu sein, muss der Mensch Glück in seinem Inneren fühlen. Bei der Frage des Glücks geht es also nicht so sehr um die Verhältnisse, in denen der Mensch lebt, sondern darum, wie, unter welchen Bedingungen, sein Bewusstsein Glück empfinden kann. Was sind die Bedingungen, unter denen der Mensch als Bewusstsein sich glücklich und frei fühlen kann? Wann ist Glück als Bewusstseinsphänomen möglich?

Nach der theosophischen Psychologie, die keine neue Erfindung, sondern uralte Weisheit ist, ist das menschliche Bewusstsein in mehrere Hüllen, Bewusstseinsträger oder Körper gekleidet. Und unser Bewusstsein, um glücklich zu sein, muss sich auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu seinen eigenen Körpern, zu seinen Bewusstseinsträgern verhalten. Wir verstehen, dass es aus theosophischer Sicht beim Problem des Glücks nicht darum geht, wie sich unsere Bewusstseinsträger zur Außenwelt verhalten, sondern darum, wie wir selbst als bewusste Wesen uns zu unseren Bewusstseinsträgern verhalten. Wenn der Mensch als geistiges Zentrum und bewusstes Wesen sich richtig zu seinen eigenen Bewusstseinsträgern verhalten kann, dann ist er glücklich. Aus theosophischer Sicht betrachtet beschränkt sich das Problem des Glücks darauf, und die Frage, wie sich die verschiedenen Hüllen zur Welt um sie herum verhalten, oder, um es noch einfacher und deutlicher auszudrücken, wie sich der physische Körper des Menschen zur physischen Welt verhält, welche Bedingungen also der physische Körper der Welt stellt, um glücklich zu sein, ist vollkommen zweitrangig. Die erste Bedingung des Glücks ist nicht das, sondern die Art und Weise, wie sich das eigene Bewusstsein des Menschen, der Mensch selbst als seelisches und geistiges Wesen zu seinen eigenen Bewusstseinsträgern verhält. Das wird uns klar, wenn wir anfangen, die Bedingungen des Glücks in verschiedenen Bewusstseinsträgern zu betrachten.

Wir wissen, dass es nach der alten theosophischen, alten okkultistischen oder geheimwissenschaftlichen Psychologie in uns, in unserer materiellen Zusammensetzung drei – oder eigentlich vier, weil einer in zwei geteilt ist, – verschiedene Bewusstseinsträger gibt, die zugleich den drei Wesensformen unserer Seele entsprechen. In unserer Seele gibt es drei Wesensformen, denn das Bewusstsein des Menschen manifestiert sich auf drei Art und Weisen: als Wissen, Fühlen und Wollen. Wir wissen, fühlen und wollen. Diese psychologische Einteilung wird auch von der westlichen Psychologie anerkannt, aber in anderer Hinsicht unterscheidet sie sich entscheidend von der alten östlichen Psychologie, die die Theosophie anerkannt hat, denn anstatt den Menschen als ein geistiges Wesen anzuerkennen, das Seele und Körper als seine Hüllen benutzt, sieht die westliche Psychologie den Menschen nur als Seele, die dem Körper überlegen ist. Im Gegensatz dazu zeigt die orientalische Psychologie, dass der Mensch ein Geist mit drei Erscheinungsformen ist, die in der Sanskrit-Sprache Atman, Buddhi und Manas genannt werden.

Diese drei Erscheinungsformen haben jeweils ihre entsprechenden Hüllen mit je einer bestimmten seelischen Wesensform. Dem Manas, dem Aspekt des Wissens in der menschlichen Seele, entspricht ein bestimmter Bewusstseinsträger, der in der Theosophie Mentalkörper, Intelligenz- oder Gedankenkörper genannt wird. Dem Buddhi, dem Gefühlsaspekt der Seele, entspricht der zweite Bewusstseinsträger, der Astral-, Begierden- oder Gefühlskörper. Dem Atman, dem Willensaspekt der menschlichen Seele, entspricht der dritte, der physische Körper. Dieser Bewusstseinsträger funktioniert ausschließlich als Träger des Willens.

Nun sollten wir nicht denken, dass, wenn der Mensch seine Intelligenz benutzt, wenn er also denkt, dann irgendwelche Schwingungen, Funktionen und Kraftausbrüche nur im Mentalkörper, dem Träger des Denkens, entstehen. Wir sollten auch nicht denken, dass, wenn der Mensch etwas fühlt, dann ein Ausbruch ausschließlich im Gefühlskörper stattfindet, sondern müssen verstehen, dass, obwohl das Denken hauptsächlich zum Mentalkörper gehört und mit der Intelligenz zusammenhängt, es dennoch in den dem Gedankenkörper entsprechenden Teil im physischen Körper eindringen muss, der diesen im Gedankenkörper stattfindenden Kraftausbruch im physischen Tagesbewusstsein bewusst macht.

Der Gedankenkörper ist ein unsichtbarer Bewusstseinsträger, eine Kraft in der unsichtbaren Welt, aber er hat in diesem sichtbaren physischen Körper eine Entsprechung, nämlich das Gehirn. Das Gehirn ist das Organ, das es dem Menschen ermöglicht, Dinge in seinem Tagesbewusstsein zu verstehen. Auch der Gefühlskörper hat seinen entsprechenden Organismus im physischen Körper, nämlich das Nervensystem. Das gesamte Nervensystem, sowohl das sympathische als auch das vegetative (zerebrospinal), vermittelt die Verbindung zwischen dem Astralkörper und dem Tagesbewusstsein. Der physische Körper hat hierin also seine Entsprechung für alle Gefühle und Gedanken. In der unsichtbaren Welt wirken aber zugleich auch besondere Bewusstseinsträger, besondere Erscheinungsformen. Das können wir sogar in der Praxis wahrnehmen.

Jetzt kann jemand sagen: „Weil wir schon ein Gehirn haben, das Gedankentätigkeit von der Seele mit drei Wesensformen vermittelt, wozu brauchen wir einen speziellen Gedankenkörper? Wir denken ja mit unserem Gehirn.“ Wenn wir das Leben genauer betrachten, können wir jedoch sehen, dass eine solche Auffassung durchaus oberflächlich ist. Unsere Erfahrungen im Leben haben uns gelehrt, dass der Mensch für seine Gedankentätigkeit nicht nur sein Gehirn, sondern auch in der unsichtbaren Welt einen anderen Bewusstseinsträger, den Gedankenkörper, eine spezielle unsichtbare Manifestation der Gedankentätigkeit haben muss.  Andernfalls können wir uns die Phänomene der Gedankenwelt nicht zufriedenstellend erklären. Wenn wir das Leben ehrlich studieren wollen, sehen wir es ein.

Wir sagten schon, dass der Mensch, um glücklich zu sein, sich in einer bestimmten Weise zu seinem physischen Körper verhalten muss. Das heißt, er muss sich in einem bestimmten Schwingungszustand zu seinem physischen Körper befinden. Wenn es tatsächlich so ist, wie können wir die richtige Beziehung zwischen Bewusstsein und Körper erklären? Was ist z. B. der richtige Schwingungszustand des physischen Körpers und wie können wir ihn manifestieren? Wie können wir das richtige Verhältnis in unserem Bewusstsein erreichen, damit unser Bewusstsein, während es im physischen Körper wohnt, glücklich wäre? Gibt es vielleicht für jeden Bewusstseinsträger eine spezielle Norm, dessen Erfüllung die Bedingung dafür wäre, dass unser Bewusstsein in diesem Träger glücklich wäre, und ist diese Norm definierbar? Die Antwort ist ja. Jeder Bewusstseinsträger hat seine eigene Norm, und diese Norm kann genau definiert werden.

Lasst uns also der Sache auf den Grund gehen. Betrachten wir zuerst den Bewusstseinsträger, den wir Mental- Intelligenz- oder Gedankenkörper, nennen. Lasst uns zuerst überlegen, wie wir auf eine ganz praktische Weise wissen können, dass wir in der unsichtbaren Welt einen solchen Mentalkörper besitzen. Wir haben ja ein Gehirn, mit dem der Mensch Dinge in der physischen Welt begreifen kann. Aber wie können wir wissen, dass wir auch einen unsichtbaren Bewusstseinsträger, eine unsichtbare Manifestation haben, die ganz gesetzmäßig funktioniert und mit Gedankenenergie verbunden ist?  Wir können sehen und als Tatsache anerkennen, was die Wissenschaftler entdeckt haben, nämlich dass alle Gedankenfunktionen und das Denkvermögen bestimmten geistigen Gesetzen unterworfen sind, die mit dem Sammelbegriff Logik bezeichnet werden. Um wahr und vernünftig zu sein, muss das Denken bestimmte Gesetze befolgen, und Psychologen versuchen, sie zu finden und zu präzisieren. Diese von den Psychologen gefundenen Gesetzte sind jedoch nicht so real wie das Gesetz, an das ich jetzt denke. Es ist das Gesetz, gegen das der Mensch vergeblich kämpft, es ist das Gesetz, das sein Denken definiert, seinen Gedankenkörper formt und erzeugt und nach dem der Mensch sein Denken richten muss. Dieses Gesetz des Denkens können wir mit einem Wort bezeichnen. Es ist Wahrheit.

Das Lebensgesetz des Gedankenkörpers ist Wahrheit. Das können wir in unserem alltäglichen Leben beobachten. Ist der Mensch glücklich, wenn er gegen die Wahrheit verstoßen hat, wenn er gelogen und betrogen hat? Er kann sich allerdings glücklich fühlen, obwohl er Böses getan, gelogen und betrogen hat, solange er nicht weiß, dass er so gehandelt hat; wenn er aber einsieht, dass er jetzt lügt und betrügt, dann fühlt er sich – in Bezug auf die Sache, die er eingesehen hat, – sofort unglücklich. Der Mensch bäumt sich gegen seine eigene Kriminalität auf, denn wenn er lügt und betrügt, verletzt er sich selbst, er stößt gegen sein eigenes Lebensgesetz, denn er hat einen Mentalkörper, dessen Grundbedingung, dessen Lebensbedingung die Wahrheit ist. Die Grundnorm seines Lebens, seines Wachstums und seiner Entwicklung ist Wahrheit. Wenn der Mensch gegen dieses Lebensgesetz verstößt, verstößt er gegen sich selbst. Er verletzt seinen eigenen Gedankenkörper, und das tut weh, der Mensch verspürt gleichsam Schmerz in seinem Bewusstsein.

Wir sehen, dass ein Mensch, der lügt, betrügt und stiehlt und in der Welt deshalb erfolgreich ist, weil er unehrlich und ungerecht ist, dann versucht, glücklich auszusehen. Er versucht immer, die Wahrheit vor sich selbst zu verbergen, er versucht immer, eine Rolle in den Augen der Welt zu spielen. Die Wahrheit ertönt in seinem Herzen, und diese Wahrheit veranlasst ihn, immer sich selbst und den anderen zu erklären, dass er niemanden betrogen hat. Er muss die Sache immer betonen, denn die Lebensmelodie seines eigenen Gedankenkörpers erinnert ihn immer an sein Verbrechen. In seinem Herzen ertönt immer der Ruf: „Ich will mich wohl fühlen, ich will gesund sein! Warum tust du mir weh?“ Ein Mensch, der in seinen Gedanken und allen Handlungen nicht ehrlich ist, muss ständig in seinem Inneren kämpfen. Er muss sich immer gegen einen inneren Feind verteidigen, der in Wirklichkeit sein wahrer Freund ist, auch wenn er es nicht versteht. Die Wahrheit ist also die Lebensbedingung, die Grundbedingung des Gedankenlebens. Das verstehen wir. Wir können es auch an einem anderen Beispiel sehen.

Der Mensch ist nicht nur deshalb glücklich, weil er selbst ehrlich ist, sondern er muss auch wissen, was die Wahrheit ist. Der Mensch kann nicht glücklich sein, solange er in Blindheit und Unwissenheit lebt. Er mag irgendwie glücklich sein, wenn er nichts von seiner eigenen Unwissenheit weiß, aber dieses Glück ist eine Täuschung. Solange er auf eine bestimmte Weise glaubt, ist er wirklich glücklich, sobald ihm aber Zweifel aufkommt, verschwindet auch die Täuschung und der Mensch sieht, dass kein Glück da sein kann, wo keine Wahrheit ist. Dann ist der Mensch alles andere als glücklich, denn er hat begonnen, nach der Wahrheit zu suchen. Und wenn er die Wahrheit, das Wissen um die Wahrheit sucht, dann lebt in ihm eine Kraft, gleichsam eine Stimme, die Zweifel aufkommen lässt. Der Mensch ist zum Wahrheitssucher geworden. Er ist nicht mehr glücklich wie zuvor, denn er weiß, dass er kein Glück haben kann, keine Befreiung von seinen Leiden, bis er die Wahrheit gefunden hat.

Das meinen alle Weisen, alle Religionsgründer und Geheimwissenschaftler, wenn sie uns sagen: „Sucht die Wahrheit, sucht Gott, sucht nach dem Reich Gottes! Sucht und ihr werdet finden und glücklich sein!“ Aber wir wissen, dass es auch andere Anweisungen gibt. Die ganze fehlgeleitete kirchliche Lehre sagt: „Du sollst glauben, du sollst nicht zweifeln! Du sollst glauben, was wir sagen.“ Das ist es, was den Menschen daran hindert, wahres Glück zu erreichen, denn alles, was den Menschen daran hindern will, ein wirklich glücklicher, freier Mensch zu werden, sagt: „Du sollst nicht suchen, du sollst nicht zweifeln!“ Aber in unserem eigenen Geist ertönt eine Stimme, die Stimme unseres eigenen Geistes: „Suche, wenn es dunkel ist, zweifle und suche, sonst kannst du nicht glücklich werden!“ Das ist der Rat aller Weisen. Wir sehen also, dass die Lebensbedingung und das richtige Verhältnis des Menschen zu seinem Intelligenzkörper die Wahrheit ist, und wenn er glücklich werden möchte, muss er aus seinem Leben alles eliminieren, was falsch, betrügerisch, unehrlich oder unrecht ist.

Dann haben wir noch den Bewusstseinsträger, der Gefühls- oder Astralkörper heißt, und jetzt fragen wir, was seine Lebensbedingung, seine Grundbedingung ist. Was ist das Gesetz, nach dem der Mensch leben sollte, damit sein Bewusstsein sich frei manifestieren und er sich in seinem Gefühlskörper glücklich fühlen könnte? Hat auch der Gefühlskörper ein bestimmtes Prinzip, eine Grundnorm? Die Antwort ist Ja. Die Grundvoraussetzung des Gefühlskörpers können wir kurz mit einem Wort definieren. Sie ist Güte. Wir können sie auch Liebe nennen, aber das Wort „Liebe“ muss dann in einem tiefen und hohen Sinn verstanden werden. Die leichter zu verstehende Definition ist Güte. Die Grundbedingung des Gefühls- oder Astralkörpers, d. h. die Voraussetzung des menschlichen Glücks in diesem Körper ist Güte oder Liebe. Es gibt keinen anderen Weg, in unserem Gefühlsleben Glück zu erreichen. Der Mensch kann nicht wirklich glücklich sein, wenn er kein guter Mensch ist.

Das größte persönliche Glück, das wir in der Welt empfinden können, das Glück der romantischer Liebe, bleibt auch nicht ununterbrochen und ungestört, wenn sie nicht dem Gesetz der Güte folgt. Wir sehen, dass, wenn Menschen sich nach dem Glück sehnen, sie ganz natürlich denken, dass das höchste Glück im Bereich des Gefühlslebens Liebe ist. Hier denken sie ganz richtig. Jeder Mensch ahnt, dass das größte Glück im Bereich des Gefühlslebens von Natur aus Liebe ist, und wenn der Mensch es in seinem Inneren weiß, sehnt er sich nach Liebe. Er denkt: „Ich wünschte, ich könnte geliebt werden, ich wünschte, ich könnte jemanden finden, der mich liebt! Wenn ich einen Menschen für mich finden könnte, der mich liebt, dann wäre ich glücklich!“ So denkt der Mensch, er bildet sich ein, dass das Glück darin besteht, Liebe zu bekommen. Doch im Leben geht es oft anders; die Menschen finden kein solches Glück. Sie finden in der Liebe nicht das, was sie sich vorgestellt haben, sondern werden enttäuscht. Der Mensch muss erfahren, dass der Mensch, den er liebt, ihn überhaupt nicht versteht, und dann wird das Leben schwer.

Und wenn wir einmal zwei Menschen sehen, die sich wirklich lieben und beide sich gegenseitig gern Liebe geben und sie auch bekommen, stellen wir auch dann oft fest, dass auch sie denken, dass ihr Glück darin liegt, Liebe voneinander zu bekommen. Und wir sehen, dass auch diese zwei Menschen, die sich lieben, ihr Glück mit Leid bezahlen müssen. Zwischen ihnen herrscht nicht immer harmonisches Glück, sondern das Glück wird durch etwas gestört. Es ist, als würde etwas zwischen ihnen durchdringen, das die Harmonie zerstört. Der Mensch kann nicht mehr glücklich sein, sondern stürzt wie in einen Abgrund, bis er erkennt, dass sie sich doch lieben und einsehen, was die Liebe wirklich erfordert.

Solange wir denken, dass wir, um glücklich zu sein, Liebe von dem anderen verlangen müssen, solange wir denken, dass wir Liebe auch nur haben wollen, ist unser Glücksgefühl vorübergehend und führt zum Leid. Und wenn der Mensch so etwas erlebt, ist es nur natürlich, dass er sich fragt: „Gibt es dauerhaftes Glück, kann überhaupt etwas im Gefühlsleben dauerhaft sein? Es ist ja wie ein Wellenschlag, wo Leid und Genuss sich abwechseln, da gibt es doch keinen dauerhaften Frieden und kein dauerhaftes Glück!“

Erst nach langer Zeit, nach vielen seelischen und spirituellen Erfahrungen beginnt der Mensch zu verstehen, dass es auch im Bereich des Gefühlskörpers dauerhaftes Glück gibt. Dieses Glück ist Liebe, aber es erfordert Güte und Selbstlosigkeit. Egoistisches Glück ist nicht dauerhaft – Voraussetzung für Glück ist Selbstlosigkeit. Und wenn Güte und Selbstlosigkeit im Menschen lebendig sind, dann ist für ihn die Liebe eines anderen Menschen wie ein Geschenk, ein wunderbares Geschenk. Sie ist wie ein Sonnenaufgang nach der dunklen Nacht, sie ist wie ein wunderbarer Duft. Sie ist nur eine Ergänzung zum Glück, denn wenn der Mensch nichts für sich selbst verlangt, sondern weiß, dass die Bedingung des Glücks in seinem Gefühlsleben, in seinem Astralkörper, in seiner eigenen Güte, in seiner eigenen Liebe ist, dann ist er bereits in sich selbst glücklich, und all die Liebe, die ihm begegnet, wird sein Glück nur vermehren.

Jeder Mensch fühlt in seinem Inneren, dass das wahr ist. Alle Weisen, alle großen Lehrer, haben es verstanden, so zu lieben. Denken wir zum Beispiel an Jesus Christus – niemand kann sagen, dass er nicht glücklich gewesen wäre. Sein Glück bestand darin, dass er den Willen des Vaters erfüllte, dass er die Liebe aus sich herausströmen ließ. Er liebte auf diese Weise. Er hatte das Problem des Astralkörpers gelöst. Sein Astralkörper war rein und klar. Der Astralkörper der Menschen ist voller Wolken, voller allerlei Nebel, Glanz und dunkles Feuer, während der Astralkörper eines Christus-Wesens durchscheinend klar ist. Die Liebe Gottes strahlt aus ihm heraus. Die Liebe, mit der Gott uns liebt, strömt aus seinem Astralkörper heraus, und dabei fließt auch die Wahrheit durch ihn heraus und erfüllt die Welt.

Um also glücklich zu sein, müssen wir gut sein. Wie unser Gedankenkörper Dinge liebt, die wahr sind, so liebt auch unser Astralkörper Dinge, die gut sind. Wahrheit und Güte sind es, wonach wir streben müssen. Deshalb haben die Weisen immer gesagt: „Reinigt eure Gedanken und Gefühle, reinigt euren Gefühlskörper, reinigt euren Gedankenkörper!“

Die dritte Hülle ist der physische Körper. Nun fragen wir, ob auch der physische Körper ein solches Prinzip hat, eine solche Lebensbedingung, dessen Erfüllung das Bewusstsein glücklich macht. Ja, denn die Erfahrung eines jeden Menschen sagt: „Um physisch glücklich zu sein, muss der Mensch gesund sein. Der menschliche Körper muss gesund und kräftig sein, um immer Glück zum Ausdruck zu bringen, oder damit der Mensch Glück in seinem physischen Körper empfinden könnte. Der physische Körper muss gesund sein, dann ist natürlich auch das menschliche Bewusstsein glücklich. Wenn wir krank sind, sind wir nicht glücklich, weil wir unseren Körper nicht benutzen können. Wir sprechen jetzt nicht von Ausnahmefällen, in denen der Mensch in seinem Bewusstsein glücklich sein kann, obwohl er körperlich krank ist, sondern über Dinge im Allgemeinen. Ein Mensch, der einen kranken Körper hat, der ihn immer an die Existenz der Krankheit erinnert, kann nicht glücklich sein. Er kann ein Mensch sein, ehrlich und gut, der in seinem Leben den Lehren der Weisen folgt. Dann ist zwar sein seelisches Wesen, sein innerer Körper glücklich, aber sein Glück ist nicht vollkommen, wenn sein physischer Körper schwach und krank ist, sodass er ihn nicht benutzen kann.

Dieses Thema ist auch mit allen gesellschaftlichen und staatlichen Umständen verbunden, denn unser Körper hängt mit der physischen Welt zusammen, seine Gesundheit hängt von äußeren Verhältnissen ab, und deshalb ist die Gesundheit des Körpers eine Frage der physischen Umstände.

Aber wir wissen, selbst wenn wir die Macht und Kraft hätten, die Umstände des physischen Lebens so zu gestalten, dass jeder ausreichendes Auskommen, Kleider, Wohnung und Essen hätte, um zu überleben, selbst wenn der Mensch keinen Mangel an materiellen Dingen hätte und sein physischer Körper gesund wäre,  dass er immer noch nicht vollkommen glücklich wäre, sondern sich nach etwas sehnen würde. Wir können an die Zeit denken, als die Menschen in dieser äußeren Welt nur das taten, was für die Sicherung des äußeren Lebens notwendig war, an die Zeit, als sie jagten, fischten und Land bebauten. Die Menschen verrichteten solche Arbeiten, aber wir stellen fest, dass ein solches Leben sie auf die Dauer nicht befriedigen konnte. So ein Leben reicht den Menschen nicht. Sie versuchen sich weiterzubilden, Kunst und Wissenschaft weiterzuentwickeln. Sie geben sich nicht damit zufrieden, dass sie Arbeit, Ruhe und Kleidung haben. Obwohl sie alles haben, was für das materielle Leben notwendig ist, geben sie sich nicht damit zufrieden, sondern suchen nach etwas anderem, sie suchen nach Kultur. Woran liegt es?

Es liegt daran, dass das Geheimnis des menschlichen Körpers nicht nur auf diesen sichtbaren groben Körper beschränkt ist, sondern der Körper des Menschen auch eine andere, für das physische Auge unsichtbare Seite hat, die in der Theosophie Ätherkörper genannt wird. Die andere Seite des physischen Körpers ist der Ätherkörper. Er besteht aus all den materiellen Prinzipien, die in der Wissenschaft mit dem Sammelbegriff Äther bezeichnet werden. Er ist die innere Doppelseite des physischen Körpers, der auch sein eigenes Leben lebt und somit auch seine eigenen Lebensbedingungen hat. Auch er folgt einem bestimmten Naturgesetz, auch in seinem Leben erklingt ein bestimmter Grundton, und, um glücklich zu sein, müssen wir der Grundmelodie unseres Ätherkörpers folgen. Was ist also die Grundlage, die Lebensbedingung, dieses Ätherkörpers? Sie ist, mit einem Wort ausgedrückt, Schönheit. Die Grundbedingung des Gedankenkörpers ist Wahrheit, des Ätherkörpers Schönheit und des physischen Körpers Kraft und Gesundheit.

Die Lebensbedingung des Ätherkörpers ist also Schönheit. Das können in unserem alltäglichen Leben beobachten. Wenn wir zum Beispiel Lärm von der Straße dann hören, wenn wir ihn nicht hören wollen, stört er uns. Das gilt nicht nur für einen solchen Fall, in dem wir Ruhe brauchen und gerne schlafen möchten – denn wenn wir schlafen wollen, müssen andere schweigen –, sondern der Lärm kann stören, auch wenn wir nicht schlafen wollen. Wir finden den Lärm unangenehm, auch wenn er unsere Arbeit oder Ruhe nicht verhindern würde. Er stört uns deshalb, weil er etwas Hässliches, Beleidigendes, Disharmonisches an sich hat. Wenn wir aber von der Straße wunderbare Musik hören, belebt sie uns. Die Musik kann uns nur stören, wenn wir Ruhe brauchen und schlafen wollen und denken, dass wir deshalb nicht schlafen können. Dann hoffen wir, dass sie aufhören würde. Aber solange der Lärm eine angenehme Wirkung auf uns hat, ist er erfrischend. Wir gehen zu einem Konzert und es erfrischt uns. Wir hören dort schöne Musik, die unseren Ätherkörper erfrischt und unser Sinnesleben belebt, denn unser Ätherkörper wirkt durch die Sinne, und alle Sinnesfunktionen beeinflussen ihn. Nehmen wir einige Beispiele:

Wir wissen, dass es die härteste Strafe im Gefängnis ist, mit Wasser und Brot leben zu müssen. Obwohl wir wissen, dass Brot und Wasser uns am Leben erhalten, dass eine bestimmte Portion Brot und Wasser zwei oder dreimal am Tag gegessen uns am Leben erhält, sträubt sich etwas in uns dagegen. Monotones Essen, auch wenn es den Menschen am Leben erhält, wird mit der Zeit unerträglich. Der Mensch braucht Abwechslung im Essen, er sehnt sich nach leckerem Essen, das die Mahlzeit zu einem Genuss macht.

Der Mensch braucht auch Ordnung und Sauberkeit in seinem Leben. Wenn zum Beispiel der Mann nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause kommt und die Wohnung unsauber vorfindet und das Essen irgendwo in der Ecke serviert wird, kann er zu seiner Frau sagen: „Du sollst die Wohnung in Ordnung halten, denn ich habe ja geheiratet, damit meine Frau die Wohnung für mich sauber hält“, denn er denkt, dass ein solches Leben aus ihm keinen Menschen mache und ein Leben wie in einem Schweinestall kein menschenwürdiges Leben sei. Die menschlichen Gefühle verlangen seltsamerweise Schönheit, Sauberkeit und Schönheit zu Hause. Eine saubere Wohnung und ein schön gedeckter Tisch erquicken die Sinne. Wenn die Sinne keine Erquickung finden, kommt einem das Leben sinnlos vor, denn dann ist der Ätherkörper ohne Nahrung geblieben.

Die Nahrung des Ätherkörpers ist alles, was man in der Schönheit findet, sie erfrischt den Ätherkörper und den ganzen Menschen. Wenn wir von der Arbeit müde sind und hören, wie Kaffeetassen herausgeholt werden, dann hört es sich an wie wunderbare Musik­ in unseren Ohren und erfrischt uns. Manche Menschen, die aufrichtig nach Gott, Gottes Wahrheit und Gottes Liebe suchen und gut sein wollen, irren sich, wenn sie den Ätherkörper, der unbedingt Schönheit verlangt, außer Acht lassen. Wenn der Mensch auf der Suche nach Wahrheit der Stimme des Ätherkörpers nicht folgt, dann wird ihm das Leben bald zeigen, dass er sich irrt.

Wenn der Mensch sich selbst nicht kennt, obwohl er meint sich zu kennen, kann er irrtümlich sagen: „Um alle Menschen zu lieben, um allen Menschen nur als Brüder und Wahrheitssucher begegnen zu können, müssen wir alle Kultur und Bildung aufgeben und voll und ganz Kinder Gottes sein. Lasst uns also frei sein von allem äußeren Streben nach Schönheit und Kultur, lasst uns einfach und bescheiden sein wie Tiere in der Natur!“ Der Mensch irrt sich, wenn er denkt, dass das die Lösung der ganzen Frage ist, aber das Leben stellt ihn vor eine weitere große Lektion. Er ist vielleicht ein Asket geworden, ein „Säulenheiliger“, der auf einer Säule sitzt, ohne auch nur auf die geringsten Erfordernisse der Ästhetik zu achten. Die Menschen können ihm Respekt erweisen, aber er ist nicht glücklich. Er ist mit seinem Leben nicht zufrieden, denn sein Ätherkörper schreit ihm ununterbrochen zu, bis er schließlich erkennt, dass es sein eigener Ehrgeiz ist, auf dessen Stimme er gehört hat und dass das Leben selbst etwas ganz anderes lehrt. „Du hast gar nicht darauf geachtet, dass Gott, als er dich schuf, in deine Seele den Schönheitssinn setzte, und weil Gottes Arbeit vollkommen ist, gab er dir auch einen Bewusstseinsträger, der die gleiche Bedingung hat. Dieser Bewusstseinsträger ist der Ätherkörper, dessen Existenz der Urgrund aller Aufklärung und Bildung ist. Alle Kultur ist darauf zurückzuführen, und die Kultur steht immer im Widerspruch zum Bösen und Hässlichen.“

Hier geht es darum, dass wir Menschen uns selbst nicht richtig verstehen, weil wir dazu neigen, in all unserem Tun und Treiben einseitig zu sein. Wenn wir denken, dass wir unseren Gedankenkörper reinigen müssen, vergessen wir dabei alles andere; wenn wir den physischen Körper reinigen, dann vergessen wir die Reinigung von Gefühlen und Intelligenz; wenn wir der Stimme unseres Ätherkörpers folgen und künstlerisch sein wollen, sodass alles um uns herum schön ist, denken wir reich sein zu müssen und wollen alle sinnlichen Freuden befriedigen, dann sind wir einer anderen Täuschung verfallen, nämlich in der einseitigen Befolgung der Anforderungen des Ätherkörpers. Wir müssen die Anforderungen aller unserer Körper erfüllen. Wir sollen nicht denken, dass wir Glück erreichen, wenn wir die Anforderungen nur eines Bewusstseinsträgers erfüllen­. Wenn wir das tun, wenn wir einen von unseren Bewusstseinsträgern vernachlässigen, dann wird es eine Gegenwirkung geben, und das liegt daran, dass dieser Bewusstseinsträger, den wir vernachlässigt haben, uns an seine Existenz erinnert.

Der Mensch kann einen guten Charakter haben, aber trotzdem falsch handeln. Er verfügt z. B. über Gelder eines Geschäftes oder einer Behörde und gibt diese an notleidende Menschen, ohne zu merken, dass er, wenn er fremde Gelder nimmt, um anderen zu helfen, falsch handelt. Und wenn er dafür verantwortlich gemacht wird, tut er uns leid, weil er sich beim Ausgeben fremden Geldes geirrt hat, aber auf der anderen Seite ein guter Mensch ist. Er hat falsch gehandelt, denn er wusste nicht, dass Wahrheit die Lebensbedingung des Gedankenkörpers ist. Seiner Meinung nach genügt es, die Lebensbedingung des Gefühlskörpers zu erfüllen, er wusste nicht, dass der Mensch innerlich zum Gleichgewicht kommen muss, und dass er falsch handelt, wenn er die Bedingung des Glücks nur im Glück des Gefühlskörpers sieht. Das Gleiche geschieht, wenn man als Bedingung zum Glück nur das Glück des physischen Körpers hält, wie es viele junge Menschen tun. Der Mensch denkt, dass er ein bestimmtes körperliches Ideal erreichen und dann ausschließlich nach diesem Ziel streben muss. Ein junger Mensch kann sich so irren; er wird ein Sportler, dessen Seele nur dem Sport gewidmet ist und der über nichts anderes als über Bälle und Fahrräder sprechen kann. Das ist ein Irrtum, wie auch, wenn der Mensch sich ausschließlich der Ästhetik und seiner eigenen kultivierten Sinnlichkeit hingibt.

Der Mensch muss harmonisch sein, er muss ein Gleichgewicht zwischen all seinen Bewusstseinsträgern finden. Er muss versuchen, die Grundtöne all seiner Körper zu finden. Wie können wir das tun, wie können wir dieses Gleichgewicht finden, wie können wir uns von den Wahnvorstellungen der Einseitigkeit befreien und Harmonie und Glück inmitten von Sinnlichkeit und allem Gefühlsleben erreichen? Das ist genau das, wozu uns alle gesunden Religionen raten und worauf sie in ihren Lehren hinweisen. Das war auch das, worauf Jesus Christus in seinen Lehren zielte. Als er uns sagte: „Sucht nach dem Reich Gottes, das in euch ist!“, meinte er: „Sucht nach dem Gott, dem Vater, der in uns allen ist, in jedem Einzelnen von euch und in allen Menschen, dem Vater, der das höhere innere Selbst eines jeden von uns ist, dem Gott, der in jedem von uns ist, auch wenn er zugleich unser gemeinsamer Vater ist. Sucht immer nach Ihm, sucht und sehnt euch nach Ihm!“ Und als Madame Blavatsky sagte, „die einzig wahre Meditation und das einzig wahre Beten, die einzig wahre Meditation ist, wenn wir uns mit aller Kraft unserer Seele und unseres Geistes unermüdlich, unaufhörlich nach der Vollkommenheit Gottes sehnen“, meinte sie das Gleiche wie Jesus Christus. Und wir können verstehen und wissen, dass sie beide uns den Weg gewiesen haben, auf dem wir Glück und Freiheit suchen und finden können.

 

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